02/03/2023
Deutsche Texte
Ein Jahr Ukraine-Krieg – kann man dazu noch etwas Neues sagen?
Václav Klaus für Junge Freiheit


Im ersten Jahr des Krieges wurde bereits fast alles gesagt oder geschrieben. Was fehlt ist die aufrichtige und ehrliche Analyse der Lage, die nicht von dem Diktat der politischen Korrektheit immunisiert ist. Einseitige Vorurteile, ideologisch motivierte Annahmen, Angst vor den möglichen Folgen nicht korrekter Antworten, schlechtes Gewissen – bei uns im Zusammenhang mit dem Jahr 1968 – blockieren die Suche nach der Wahrheit. 

Wir befinden uns in einer Ära des hoch beschädigten öffentlichen Diskurses. Nur die Emeritierten, die nichts zu verlieren haben, haben eine gewisse Freiheit, offen zu sprechen. Es geht auch nicht immer um Angst. Oft möchte man „nur“ die bestehende Einheit und Ruhe in der eigenen Familie, im Freundeskreis, im Arbeitskollektiv nicht stören. Man wehrt sich, ein permanenter „Einheitsstörer“ zu sein. 

Die Junge Freiheit wollte die Einschätzung der Situation von Experten, aber zu diesem Thema ist niemand ein Experte. Wir, diejenigen, die eine Antwort geben, sind nichts mehr als engagierte Menschen, die große Sorgen und Befürchtungen im Hinblick auf die heutigen Entwicklungen haben. 

Wer wird also den Krieg gewinnen? Der Krieg findet in der Ukraine statt, der Aggressor ist ohne Zweifel Rußland. Diese Länder werden sicher nicht die Gewinner dieses Krieges sein. Die Menschen in der Ukraine, in Rußland, aber auch in Deutschland und in der Tschechischen Republik werden bestimmt nicht gewinnen. Sie werden in jedem Fall verlieren, nicht nur materiell. 

Im Prinzip geht es in diesem Krieg um etwas anderes und größeres. Es geht um die Hegemonie in der heutigen, objektiv schon multipolaren Welt. Dehnt sich der Krieg noch aus? Man sollte hier das Imperfektum benutzen. Die Ausdehnung ist – in manchen direkten und indirekten Formen – bereits geschehen, aber womöglich noch nicht abgeschlossen. 

Wer wird aber der größte Verlierer sein? Bestimmt sind das die zwei kämpfenden Länder. Aber langfristig wahrscheinlich Rußland. Die Stärke der Mehrheit der entwickelten Länder wird sich früher oder später durchsetzen. Rußland hat keine Chance, es zu ändern. 

Doch viel wichtiger scheint mir die Frage, was wir verlieren werden. Wir werden den Frieden, die Demokratie, die Unabhängigkeit (vor allem der kleineren Länder), viel Geld durch die massive Aufrüstung in der ganzen Welt verlieren. Besonders werden wir die Leichtigkeit des Seins verlieren, im Sinne von Milan Kundera.  Über die Unerträglichkeit dieser Leichtigkeit möchte ich lieber gar nicht erst sprechen.

Václav Klaus, Beitrag zur Spezialausgabe der Wochenzeitung Junge Freiheit, Nr. 9/23, 24. Februar 2023


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